AUSSTELLUNGEN
Berachtung zu den Zeichnungen von
Michael Becker
den Bildern von Georgine Becker
und Wolfgang Becker
anlässlich der Eröffnung der Gemeinschaftsausstellung
„Die 3 Beckers“
in den Ateliers der wfk
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Michael Becker
Im gegenwärtigen Kunstgeschehen ist die künstlerische Technik Zeichnung, bis auf die Klassiker, eher unterrepräsentiert, gar als „aus der Mode“ gekommen einzuordnen. Umso bemerkenswerter ist, dass diese Jahrtausende alte künstlerische Ausdrucksform seit der Gründung der wfk allen „Moden“ zum Trotz bis heute im Lehrangebot der wfk ein eigenständiger Fachbereich ist. Ergänzt durch das Zusatzangebot der Intensivierung der künstlerischen Aktzeichnung.
Den Schaffensprozess der Zeichnenden der wfk habe ich nur zu gerne im Fokus bzw. im Blick behalten. Besonders die Arbeiten von Michael Becker.
Regelmäßig mittwochs, angekommen in den Ateliers der wfk, freue ich mich auf eine „Überraschung“, denn dienstags steht insbesondere Aktzeichnen im Programm.
Ja, und dann liegen sie da, die Ergebnisse des Vortages. Geradezu wartend auf Betrachtung. Die besonders guten, eigenartigen und ungewöhnlichen Zeichnungen kommen mir sofort entgegen.
Für die zu Beginn seiner mit äußerst gestischer Strichstärke, mal zunehmend, mal abnehmend, die Figur umschmeichelnd und mit kraftvollen Dukten modulierten Akte, mit nur wenigen farbigen Akzenten, waren die großen Bildformate geradezu Bedingung.
Inzwischen sind sie kleineren Formaten gewichen. Neu ist, dass die Zeichnungen zunehmend farbig angelegt sind. Sie wirken „intimer“ als die großen Figuren, die eine gewisse „Unnahbarkeit“ und kühle, nahezu „feierliche Präsenz“ ausstrahlen.
Diese kleineren, jüngsten Aktzeichnungen erinnern hier und da an die subtile Erotik bei Egon Schiele, Gustav Klimt und Kokoschka.
Dennoch mit grundsätzlich ganz eigener Sichtweise, kompositorischer Auffassung und eigenen stilistischen Merkmalen. Es sind Kompositionen, die der Betrachtung und dem Genuss von Schönheit dienen.
Georgine Becker
Georgine Becker, in Wien geboren und aufgewachsen, gehörte dort bereits in jungen Jahren zu ausgewählten Kreisen der bildenden und darstellenden Künste. Malerei, Schauspiel und Engagements als Model waren Lebensinhalt. Ihre vielseitige eigenständige künstlerische Tätigkeit hatte somit schon ein stabiles Fundament. Auch später, nach ihrer Übersiedlung nach Frankfurt am Main tauchte sie in neue künstlerische und ausgewählte gesellschaftliche Kreise ein.
Und neue kreative Kräfte bündelte sie an der Seite Ihres Mannes, Wolfgang Becker
Ihre umfangreichen frühen Werke sind aufgrund unvorhergesehener tragischer Ereignisse nicht komplett erhalten. Nur einige erhalten gebliebene Fotografien von damals belegen glücklicherweise diesen intensiven künstlerischen Lebensabschnitt von Georgine Becker.
Aber es ging weiter……..Neues wurde geschaffen.
Die Bilder dieser Ausstellung sind nur ein kleiner Teil einer wahrlich reichhaltigen außergewöhnlichen wieder aufgebauten Sammlung, die Michael Becker nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter verwahrt und deren Umfang mich überrascht hat.
Verblüfft von der intensiven Farbigkeit dieser wundervollen „kleinen“ Kompositionen, Stilleben und Landschaften verspürte ich eine gewisse Wehmut, weil ich meine Begeisterung Georgine Becker nicht mehr persönlich mitteilen konnte.
Diese kleinen Werke sind von einer fragilen, aber auch selbstbewussten Schönheit. Selbst das kleinste Detail ist liebevoll ausgearbeitet.
Und obwohl die prachtvollen Blumengebinde Heiterkeit ausstrahlen, stimmen die kleinen, einzelnen ikonenhaft wirkenden Blüten auf blau-violettem Grund etwas ganz Anderes an. In ihnen sehe ich sogar eine Analogie zu den Blumenporträts von Robert Mapplethorpe.
Kunstgeschichtlich werden Stillleben oftmals als „mahnende Bilder“ beschrieben, an Vergänglichkeit erinnernd.
Die wenigen größeren Arbeiten, die verblieben sind, sind teils in ihrer Farbigkeit deutlich verhaltener als die kleineren Stilleben, im Farbausdruck erinnernd an die Aura der Arbeiten von Paula Modersohn-Becker und Emil Nolde.
Und gänzlich abweichend ist das „Letzte Bild“ von Georgine Becker. Kleines Format, aber große farbige Gestik, aufsteigend gen Himmel. Ein berührendes kleines, aber großes Werk!
Wolfgang Becker
Wegen ihrer besonderen Bedeutung ist die Auswahl der Bilder auf Schlüsselwerke der späteren Malphase bis hin zu seinem „Letzten Bild“ beschränkt.
Seine großen Hochformate sollten niemals nur einem kurzen Anblicken ausgesetzt sein, sondern einem langen Genuss, einer langen Kommunikation bis zum Eintreten des Ereignisses der Erkenntnis und der diesen Bildern innewohnenden Spiritualität.
Seine großen Hochformate stehen uns frontal gegenüber.
Besonders die „Blauen Bilder“ sind zutiefst kontemplativ, kommen Klagebildern gleich. Sie werfen uns auf „uns“ zurück, sind Erinnerungsbilder an das eigene Leben, Metaphern für das Leben selbst, sind höchst emotional und dennoch einladend zu einer stillen Meditation. Sie entrücken uns dem Üblichen und führen über die Grenzen der Malfläche hinaus ins „Unsichtbare“.
„Der Maler hält nicht nur den schönen Augenblick fest, sondern schafft sichtbare Anfänge des Unsichtbaren“. (Zitat Heinrich Lützeler)
Wolfgang Becker war ein strenger Lehrer, wenn es um die Konzentration auf das Wesentliche der schöpferischen Kraft in der Malerei, der Kunst selbst, ging. Aus der Fülle an Zitaten, die unwiderruflich in Erinnerung bleiben, sei wiedergegeben:
- Farbe ist pure Sinnlichkeit
- Technik muss zum Werk passen, darf niemals wahllos sein
- Kunst und Künstler seien so inflationär und käuflich gewordene Begriffe geworden, daher habe er beschlossen, sich nur Maler zu nennen.
- Und wenn der „Deckel“ zugemacht wird, dann mit der Gewissheit mit ins Grab zu nehmen, etwas getan zu haben.
Wolfgang Becker lebte und arbeitete als Maler authentisch. Diese Eigenschaften waren sein Credo. Auch, dass jedes fertige Bild, wenn es der Betrachtung anderer ausgesetzt wird, seine Autonomie erhält.
Damals, vor jeder großen Ausstellung, hat sich Wolfgang Becker in sein Büro zurückgezogen, sich auf seine Rede vorbereitet, eingebettet in eine Dunstwolke seines wohlriechenden Pfeifentabaks.
Wenn alle Bilder ihren Platz hatten und wir, die dafür verantwortlich waren, erleichtert aufatmeten, kam Wolfgang aus seinem Büro, oftmals war es bereits früher Morgen….
..und er hatte recht….umgehängt, anders in Kommunikation gesetzt, wurde die Wirkung der Präsentation gesteigert.
23. September 2025
Christel M.E. Käßmann

